Wenn mal wieder so ein Raser mit 160 km/h durch die Innenstadt gebrettert ist und ihm dabei ein Radfahrer oder Fußgänger im Weg war, so war das bisher Pech für den anderen Verkehrsteilnehmer. „Wie kommt der nur damit durch?“, fragt man sich. Wie kommt der VW-Vorstand damit durch, gelogen, getäuscht, weggeschaut und den Konzern vor die Wand gefahren zu haben? Wie kommt der pöbelnde Schläger damit durch, die Frau doch nur geschubst haben zu wollen?
Ich weiß es, ich sehe es tagtäglich selbst wieviel Mühe es kostet gegen zu halten. Stopp zu sagen, Nein zu sagen und sich dagegen zu stemmen. Jeder versucht es schon im jungen Leben, damit durchzukommen, mit dem Mogeln bei der Klassenarbeit, der Beule in Mutters Auto, mit der liegen gelassenen Schultasche an der Bushalte, weil sie halt nicht mehr „in“ ist. Die Liste der kleinen „Sünden“ ist schier endlos. Aus diesen vielen Kleinigkeiten, diesen Siegen gegen die Regeln, wird irgendwann ein Selbstverständnis, alles tun zu können ohne die Konsequenzen dafür zu tragen. Es erwächst ein Stolz auf diese Errungenschaft, der nur allzu gerne auf die eigene Person, die Herkunft und die Gruppenzugehörigkeit bezogen wird. In Zeiten fehlender Ideale und Werte muss eben das eigene schlechte Benehmen als Grundlage für Selbstfindung herhalten. Es ist aber nicht nur eine Armee von marodierenden Zombies, die von überforderten Eltern auf die Welt und vor allem auf die Arbeitswelt losgelassen werden. Viele von denen, die schon auf dem Schulhof die Pöbler waren sind jetzt auch noch in die höchsten Ämter gewählt worden. „Wie konnte das passieren?“, fragen sich diejenigen die anders abgestimmt haben.
In facebook abzustimmen hat den Brexit erst möglich gemacht. Aufwachen, das reale Leben findet außerhalb des Bildschirms statt. Da muss man aufstehen, das Fenster öffnen, die Stiefel anziehen und auf die Straße gehen, zur Wahl gehen statt auf die facebook-Seite und sich dagegen stemmen. Dranbleiben, noch ist nicht alles verloren. Sagen Sie einfach NEIN, wenn sich der junge Kerl mit der Tolle das nächste Mal an der Kasse an Ihnen vorbeidrücken will. Seinen Sie unbequem, fragen Sie nach – und: sagen Sie nie wieder es hat geschmeckt wenn es das nicht hat. Mir schmeckts schon lange nicht mehr und deshalb lass ich den Scheißfraß stehen, damit die Zweckoptimisten ihn zurück in Teufels Küche tragen wo er hergekommen ist.

Foto: Martin Joppich

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