Willkommen in B-Schissen!

Willkommen in B-Schissen!

Vorsicht vor kleinen Machthabern und Schmeichlern, die nur ihre eigenen Interessen verfolgen.

In der Schule war es der kleine, rothaarige Herr L., der als Mathelehrer die Macht hatte, sich auch als Sportlehrer zur gefürchtesten Person des Lehrerkollegiums zu machen. Drückte er einem in Mathe mit einem süffisanten Lächeln eine 4 Minus rein, so konnte er, besonders uns Mädels in der Achten, auch noch bei den Bundesjugendspielen das Fürchten lehren. Er starrte uns grundsätzlich auf dem Sportplatz auf die Brüste und kommentierte, was er sah, mit sexistischen Sprüchen. Zu dumm, entweder waren wir Mädchen noch zu gut erzogen oder wir waren uns einfach nicht unserer Überlegenheit bewusst, diesen kleinen rothaarigen Gnom auflaufen zu lassen. Er hatte es immer mit unseren Brüsten, die sich an diesen kühlen Morgen beim Sportunterricht unter den dünnen T-Shirts abzeichneten. Wir schämten uns, fühlten uns wie der letzte Dreck oder fühlen uns einfach hässlich und peinlich. Es dauerte lange bis sich daran etwas änderte. Den nächsten kleinen, rothaarigen Unterdrücker hatte ich viel später als Vorgesetzten in einer Werbeagentur. Berhard G. Ich war jetzt erwachsen und wollte zu den Kreativen gehören. Bernhard G. war die Hürde, die es zu nehmen galt. Zum Glück hatte er narzistische Züge und ein explosives Gemüt, sodass er mir zwar an die Schulter fasste, es jedoch nie weiter kam. Sein aufbrausendes Gemüt war es, mit dem er sich schließlich selbst aus der Firma und mir aus dem Weg räumte. Die Bahn war frei für meinen ersten Alleingang, einen Werbefilmdreh. Seither ist viel Zeit vergangen, ich bin selbstständig und glaubte schon, dass sich b-schissen fühlen der Vergangenheit angehören würde. Schließlich hatte ich die freie Wahl mit wem ich arbeiten wollte. Das ich diesen Glauben nicht lebte, wusste ich, als ich hinunter in seine Knopfaugen blickte. Pedro S. das PataNegra-Schwein. Start-up in Zwergengestalt. Ein stolzer Stöpsel vom äußersten Rand der Iberischen Halbinsel. Potentieller neuer Kunde. Ich hatte gerade Kapazität und scheinbar Lust auf einen Blick in den Abgrund. Ich nahm also die Aufgabe an, bereute es aber sogleich als ich folgenden Satz hörte: „Ich gebe Ihnen gerne den Schinken. Aber später, Frau Blaa — ähm – gert, hole ich mir immer das Schwein“. Schwein stand dann wohl auch in meinen Augen als ich ihn das sagen hörte. Abscheu stand mir im Gesicht, Ekel krümmte meinen Magen, doch der Kopf meldete „Du brauchst den Kunden!“ „Wirklich so sehr?“, sollte ich mich fragen.
Zum Glück finde ich mich selten an dem Ort angekommen, den man getrost B-Schissen nennen darf. Doch es kommt vor und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sich diese Ausflüge nach B-Schissen wieder häufen. Da ruft mich ein bekannter Agenturbesitzer an, um mich für eine Webseite anzuheuern, die maximal soviel Kosten darf, wie ein Spesenessen, das er sich mit seinen Geschäftsfreunden gönnt. Immer geschickt Schuldgefühle bei mir erzeugend, welches unternehmerische Risiko er tragen würde im Gegensatz zu mir. Wieso trage ich eigentlich kein Risiko? Ich bin schließlich Soloistin. Und (die fetteste Lüge ever!): nach diesem Job würden ja noch soviele Webseiten folgen, dass sich das für mich rechnen würde. Oder: man vertut einen kompletten, heißen Sommertag damit, dem Boss eines familiengeführten Unternehmens am Rhein zu lauschen, wie toll er ist. Nun sollte ich auf seine gekritzelten Notizen hin erraten, wie er sich seinen Webauftritt vorstellte. Die Gesichter seiner Mitarbeiter bei der Werksbesichtigung riefen mir stumm zu „Lauf!“ Am Ende war der Webtext sein Werk und der Slogan, den er für seine Firma erwählte hat sein Eigentum, für das er nur Kleingeld übrig hatte. Mein Vorschlag wurde, in abgewandelter Form, sein Motto für unsere Zusammenarbeit: „Ich biege alles für mich hin.“

So süß und verführerisch Rachegelüste auch sind, sich machen sich nicht bezahlt. Und sie zahlen auch keine offenen Rechnungen. Stattdessen zehren sie die restliche positive Energie mit negativen Gefühlen auf und hinterlassen ein Gefühl der Machtlosigkeit. Um nicht länger Machtpolitik betreiben zu müssen, hatte ich mich letztendlich selbstständig gemacht. Heute sage ich mir: „Vergib ihnen, bleib Herrin der Lage und rege Dich nicht auf.“ Es gibt immer etwas zu retten, auch wenn es nicht die uneinbringlichen Außenstände sind.
Manchmal reichen schon ein paar Zeilen aus, adressiert an die Person, die mich nach B-Schissen geschickt hat: „Vielen Dank. Habe versucht, meine Unkosten abzurechnen und dabei ist mir klar geworden, dass es Ihnen schwer fallen wird, sich an unsere Vereinbarung zu halten. Werde bei unserem nächsten Treffen, zusammen mit ihren anderen Zulieferern versuchen, eine Benefizveranstaltung für Sie zu organisieren.“
Ideen für elegante Rachemomente hätte ich genug, schließlich lebe ich von meiner Kreativität. Schon das lindert meinen Ärger. Mir reicht es, das sich weiß, ich könnte wenn ich nur wollte.

Foto: M. Blackert

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